Beschluss StVV Aussetzung Städtepartnerschaft Witebsk
Die Stadtverordnetenversammlung der Stadt Frankfurt (Oder) hat am 12.05.2022 nachfolgenden Beschlussvorschlag nach intensiver Diskussion mehrheitlich beschlossen:
Die Stadtverordnetenversammlung möge beschließen,
1. die offizielle Partnerschaft mit der Stadt Wizebsk, Belarus, bis auf Weiteres auszusetzen und zugleich zu unterstreichen, dass die Stadt Frankfurt (Oder) die zivilgesellschaftlichen Kontakte zwischen den Menschen beider Städte weiterhin unterstützt. Der Oberbürgermeister wird beauftragt, unter Beteiligung der Zivilgesellschaft – insbesondere dem AK Wizebsk – Empfehlungen für die Voraussetzungen zu entwickeln, unter denen die Städtepartnerschaft wiederaufgenommen als auch vollständig beendet wird. Falls die Voraussetzungen in der einen oder anderen Weise eintreten, ist die Stadtverordnetenversammlung erneut mit der Angelegenheit zu befassen.
2. der Stadt Schostka, Ukraine, eine Städtepartnerschaft anzubieten.
Veranlassung
Die Unterstützung des russischen Krieges durch die Republik Belarus hat auch Auswirkungen auf die Städtepartnerschaft und macht eine differenzierte Reaktion gegenüber der Stadt Wizebsk sowie ein deutliches Zeichen der Solidarität gegenüber der Slubicer Partnerstadt Schostka erforderlich.
Über Städtepartnerschaften hat gem. § 28 Abs. 2 Nr. 24 BbgKVerf die Stadtverordnetenversammlung zu entscheiden. Der Oberbürgermeister informierte über den Beschlussgehalt bereits im Ausschuss für Kultur, Bildung, Sport und Bürgerbeteiligung am 08.03.2022. Es folgte eine Aussprache zur Information.
Begründung
Begründung zu 1):
Die belarussische Führung unterstützt ausdrücklich den Krieg Russlands gegen die Ukraine und ermöglicht der russischen Armee, über belarussisches Staatsgebiet die Ukraine anzugreifen. Auf kommunaler Ebene ist für die Stadt Frankfurt (Oder) die Partnerstadt Wizebsk die Repräsentantin des belarussischen Staates. Indem die Stadt Frankfurt (Oder) die offizielle Städtepartnerschaft mit Wizebsk aussetzt, drückt sie ihre Verurteilung sowohl des Krieges der russischen Führung gegen die Ukraine als auch der Unterstützung des Krieges durch die belarussische Führung aus.
Das Aussetzen der Städtepartnerschaft ist der Stadt Wizebsk mitzuteilen und hat zur Folge, dass die Stadt Frankfurt (Oder) die offiziellen Kontakte mit der Stadt Wizebsk einstellt. Dies trägt auch dem Umstand Rechnung, dass Einladungen zum Dialog im Jahr 2021, anlässlich von Veranstaltungen der Stadt zum 30-jährigen Bestehen der Städtepartnerschaft, von Seiten der Stadtverwaltung Wizebsk ausgeschlagen wurden.
Zugleich setzt die Stadt Frankfurt (Oder) die belarussische Führung nicht mit dem belarussischen Volk gleich. Die Stadt Frankfurt (Oder) ist außerdem der Überzeugung, dass der Dialog zwischen Menschen unterschiedlicher Nationen, die sich zu einer friedlichen Lösung von Konflikten bekennen, unbedingt aufrechtzuerhalten ist und einen Beitrag dazu leisten kann, dass der Krieg ein Ende findet.
Daher unterstützt die Stadt Frankfurt (Oder) auch weiterhin, sowohl ideell als auch finanziell, bestehende zivilgesellschaftliche Kontakte zwischen beiden Städten, z.B. durch die Arbeit des Arbeitskreises Wizebsk. Die Stadt Frankfurt (Oder) will auch weiterhin ihrer Bürgerschaft ermöglichen, sich kontrovers mit den genannten Themen auseinanderzusetzen und ist darüber hinaus offen für neue Ideen für die Fortsetzung der zivilgesellschaftlichen Kontakte.
Die Städtepartnerschaft wird ausdrücklich nicht aufgekündigt, sondern auf offizieller Ebene ausgesetzt. Gleichzeitig behält sich der Oberbürgermeister vor, den Stadtverordneten zu einem späteren Zeitpunkt, abhängig von der weiteren Entwicklung, auch eine Beendigung der Städtepartnerschaft vorzuschlagen. Es wird dem Ausschuss regelmäßig über die weiteren Entwicklungen Bericht erstattet.
Begründung zu 2):
Die Hochschulstadt Schostka (75.000 Einwohner) im Nordosten der Ukraine ist seit 2008 Partnerstadt von Slubice. Offizielle Vertretende der Stadt, Jugendliche und Kulturschaffende nahmen in den letzten Jahren an mehreren Veranstaltungen in Frankfurt (Oder) und Slubice teil:
2016: Europatag
2017 und 2018: Besuch des Bürgermeisters von Schostka Mikolai Noha und seiner Stellvertreterin Olena Kravczenko zum HanseStadtFest, Auftritt der Tanz- und Gesangsgruppe „Szarm“
2018: Sommercamp der Partnerstädte am Helenesee
Seit Beginn des Krieges Russlands gegen die Ukraine steht die Stadt Slubice, soweit möglich, in kontinuierlichem Kontakt mit der Stadtspitze von Schostka. Die Stadt ist seit Ende Februar aufgrund der Belagerung der Stadt durch die russische Armee von der Außenwelt abgeschnitten. Die Versorgungslage ist kritisch. Auf Vermittlung der Stadt Slubice konnten Anfang April vier Menschen aus Schostka, die sich zum Zeitpunkt des Kriegsbeginns im Westen des Landes aufhielten, in Frankfurt (Oder) aufgenommen werden.
Indem die Stadt Frankfurt (Oder) der Stadt Schostka eine offizielle Städtepartnerschaft anbietet, drückt sie nicht nur der Bürgerschaft der Stadt die Solidarität aus, sie zeigt auch, dass sie das schon seit einigen Jahren bestehende, große Interesse an einem intensiven Kontakt mit der Doppelstadt wahrnimmt und in Zukunft noch enger miteinander zusammenarbeiten will. Dies schließt auch die Bereitschaft ein, im Rahmen der Möglichkeiten Flüchtlinge aus Schostka zu unterstützen.
Anbei ausnahmsweise der dazugehörige Artikel der MOZ vom 14.5.22