Freitag, den 27.Oktober 2017 – Fahrt ins Agrarstädtchen Rudokowo

Auf der Wunschliste für die Reise stand auch der Besuch einer landwirtschaftlichen Einrichtung und einer Berufsschule, um Land und Leute noch besser kennen zu lernen.

Also teilte sich unsere Reisegruppe. Wir fuhren ins Agrarstädtchen Rudokowo., in dem wir 2008 schon einmal die Milchviehanlage besucht hatten.

2017-10 Belarusreise Minsk Lepel

Begrüßt wurden wir im Kulturraum des Verwaltungsgebäudes vom Direktor und Raissa, der Verantwortlichen für die Gemüseproduktion.

Der Direktor stellte uns zunächst seinen Betrieb vor, in dem 840 Leute arbeiten. Zum Betrieb gehören die Bereiche Milch-, Fleisch- Gemüse- und Samenproduktion.

2 000 Milchkühe und 5 000 Kälber stehen in der Milchviehanlage, die wir aus dem Jahr 2008 schon kannten. In der zum Agrarstädtchen gehörenden Molkerei werden aus der Milch sechzig verschiedene Milchprodukte hergestellt. Dazu gehören neben verschiedenen Joghurtsorten und Kefir auch eine Reihe von Milchgetränken sowie mehrere Käsesorten.

Im Bereich der Gemüseproduktion werden jährlich rund 10.500 Tonnen Gemüse geerntet. Das sind vor allem Tomaten, Gurken, verschiedene Salate, Kartoffeln, Rote Bete, Weißkohl und Petersilie.

2017-10 Belarusreise Minsk Lepel

Raissa, eine attraktive, sehr aufgeschlossene Frau, ist für die 18 Hektar große Gemüseanlage mit 300 Mitarbeitern verantwortlich. Dort arbeiten überwiegend Frauen. Davon konnten wir uns später noch überzeugen. Die Energie für die riesige Gewächshausanlage erzeugt der Betrieb selbst. Ihm steht Erdgas zur Verfügung. Das ist sparsam und ermöglicht eine ganzjährige Produktion.

Voller Stolz berichtete Raissa von der Arbeit der Frauen und deren Ergebnissen. So ernten sie zum Beispiel von einem Quadratmeter 60 Kilogramm Gurken und erreichen damit eine hohe Produktivität.

Jede Frau ist für 1 000 Quadratmeter Produktionsfläche verantwortlich. Sie hat die Wärme- und Wasserzufuhr für die Pflanzen zu regulieren, hat das Wachstum mit der Nährlösung zu steuern und ist auch für die „Gesundheit“ der Pflanzen verantwortlich, d.h. die Pflanzen vor schädlichen Insekten oder Pilzen zu schützen. „Jede Pflanze bekommt, was sie braucht.“ sagt Raissa uns. Deshalb hat jede der Frauen auch eine entsprechende Ausbildung.

Es werden keine chemischen Pflanzenschutzmittel zur Bekämpfung verwendet, nur natürliche „Feinde“, die im Betrieb selbst gezüchtet werden. Also eine reine biologische Schädlingsbekämpfung. So können die Pflanzen gesund und natürlich aufwachsen.

Vermarktet werden die Produkte in den Supermärkten von Witebsk, mit denen auch der Preis ausgehandelt werden kann. Allerdings gibt es für die Gemüsesorten staatlich festgelegte Preisobergrenzen.

Weiterhin wird auch in andere weißrussische Städte und nach Russland geliefert. Der Markt nach Polen und in die baltischen Republiken ist wegen der EU-Sanktionen weggebrochen.

Von uns wurden viele Fragen gestellt:

2017-10 Belarusreise Minsk Lepel

-          Warum gibst es den Begriff „Agrarstädtchen“ nur in Belarus?

-          Wie ist es mit den staatlichen Planvorgaben?

-          Welche Ausbildung haben die Arbeiter/innen?

2017-10 Belarusreise Minsk Lepel

-          Wie sieht das Verhältnis von Kosten und Nutzen aus?

-          Welche Rolle spielt die Gewerkschaft im Betrieb?

Der Direktor und Raissa bemühten sich sehr, alle unsere Fragen zu beantworten,was nicht immer ganz einfach war.

Die Bezeichnung „Agrarstädtchen“geht auf ein Gesetz aus dem Jahr 2000 zurück, das auf Anregung von Präsident Lukaschenko beschlossen wurde. Das Gesetz legte fest, in jedem Gebiet solch ein Städtchen aufzubauen. Die Dorfbewohner sollen sich nicht schlechter fühlen, als Menschen in der Stadt. Da viele junge Leute aus den Dörfern in die Städte abwanderten, wurden diese Agrarstädtchen in allen Regionen in Belarus entwickelt – mit Straßen, Schulen und Kindergärten sowie neuen Häusern für die jungen Leute. Die Agrarstädtchen haben meist Großbetriebe als Paten. Banken finanzieren die Technikausrüstung.

Natürlich gibt es betriebliche Pläne. Diese müssen aber nicht mehr, wie früher, der Regierung vorgelegt werden. Es sind sogenannte Businesspläne (was immer das auch heißen mag). Große Betriebe entscheiden selbst.

Die Frauen haben alle eine entsprechende Ausbildung.Viele haben eine Fach- oder Hochschule besucht.

Die Gewerkschaft kümmert sich vor allem um soziale Belange, wie schöne Geschenke zu Feiertagen für die Arbeiter oder das gratis Gemüse für den Winter für jeden.

Die Gewerkschaft ist vor allem für soziale Belange zuständig.

Nach der Kostprobe verschiedener Tomatensorten, Gurken, Käse und anderen Leckereien, die, wie immer, sehr schön angerichtet waren, ging es in die Gewächshäuser.

Erstaunt waren wir über die Höhe der Pflanzen mit teilweise elf bis zwölf Meter langen Stängeln. Wir konnten die Frauen bei der Gurkenernte beobachten. Sie fuhren stehend auf einem Wagen durch die Reihen und sortierten die geernteten Gurken gleich entsprechend der Größe in Kisten. Es sah sehr gut aus, war aber mit Sicherheit eine anstrengende Arbeit.

Unser Dank gilt allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Agrarstädtchens, die uns so einen interessanten Einblick in ihre Arbeit und in ihr Leben vermittelt haben.

In den Tagen nach unserer Reise fand ich in den Nachrichten aus Belarus folgendes:

„Lukaschenka wollte objektive und zuverlässige Informationen über die Ernteergebnisse in Belarus. Er erwartet mehr Effizienz von der Sanierung der Agrarbetriebe .Die Sanierung muß zur Rentabilität der Betriebe führen.“

Christa Dannehl

 

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